Es ist kompliziert,
das Ankommen und das in-Beziehung-treten

Mein Weg zum Atelier führt mich nahezu täglich über den Brunnenplatz. Der Platz ist streng symmetrisch angelegt und im Zentrum mit einem Springbrunnen ausgestattet. An seinem Kopfende steht das Gerichtsgebäude, riesengroß und imposant. Erbaut von 1901-1906 im neugotischen Stil, war es schon damals aus der Zeit gefallen.

Bei seinem Anblick kommen mir die Geschichtsbücher der Schulzeit in den Sinn; die Welt der Fakten und Jahreszahlen. Wie habe ich mich als Kind auf das Fach Geschichte gefreut und wie bitter war ich enttäuscht, als mir klar wurde, dass hier keine Geschichten erzählt werden. Mir erscheint das Bauwerk merkwürdig entrückt, ungreifbar und nahezu unheimlich. Es lässt den Gedanken an Parallelwelten zu – die Frage, was Realität eigentlich ist.

Der Stadtteil Gesundbrunnen – zu dem auch der Brunnenplatz und das Amtsgerichtsgebäude gehören – ist gravierend geprägt durch die Zeitgeschichte der letzten 250 Jahre. Von einer ländlich-Idyllischen Landschaft, in der eine Heilquelle entdeckt wurde, über die flächendeckende Bebauung während der Industrialisierung bis hin zur heutigen Mischung aus Altbauten und Kriegslückenschliessungen.

Heute kommen die Leute, die den Brunnenplatz tagsüber nutzen, aus unterschiedlichen Gründen hierher. Man sitzt, isst etwas, hängt rum, campiert oder dealt. Viele haben ihre eigene Geschichte im Gepäck, die sich woanders ereignet hat, und die sie hier für kurze oder längere Zeit stranden lässt. Es ist kompliziert – das Ankommen und das in-Beziehung-treten.

Wie überall in Berlin, so fällt auch in diesem Park die gängige Praxis ins Auge, ausgediente Möbelstücke einfach im öffentlichen Raum zu entsorgen. Aber eines davon ist aus Beton – ein Nachtkästchen, wie es in klassischen Schlafzimmern steht. Auf groteske Weise steht es mitten auf einer der Wiesen und hält eine virtuelle Vision bereit.

Caro Suerkemper

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