Der Brunnenplatz

Kleine Geschichtschronologie

Die Quelle

Bei einem Jagdausflug König Friedrichs II wurde die Luisenquelle 1701 auf den sumpfigen Wiesen vor den Toren der Residenzstadt Berlin entdeckt.

Die Luisenquelle

Um 1760 wurde sie zur Heilquelle erklärt und nach diesem Entwurf (Kupferstich links) mit einem Quellhäuschen umbaut.

Erweitert durch Bäume, Gästehäuser, einem Badehaus etc. entstand ein höfischer und bürgerlicher Erholungsort – das nach Königin Luise benannte Luisenbad.

Industrialisierung

Die Stadt wuchs schnell und der Bezirk Wedding expandierte um die Anlage des Gesundbrunnens herum. Das Brunnengrundstück wechselte zwischen 1825-1885 zehn Mal den Besitzer. Während der Industrialisierung erlebte die Gegend um den Gesundbrunnen einen Bauboom, und das Badehaus Luisenbad fiel der Verbreiterung der Badstrasse zum Opfer.

In der Nähe entstand 1874-1877 ein russisches Badehaus, das Marienbad, und ein zweites Brunnenhäuschen. Der Eingang zum Park lag dann hinter den Vorderhäusern der Badstrasse.

Der Bau von Wohnhäusern, Fabriken und Schwerindustrie, wie der Arnheimschen Tresorfabrik, verschoben und verdrängten die Grünflächen und die Erholungsinfrastruktur
rund um die Quelle.

Auch das historische Brunnenhäuschen wurde versetzt. Durch Baumaßnahmen sank der Grundwasserspiegel ab und die Quelle versiegte.

1906 wurde der Pavillion abgerissen. Am Eckhaus Badstrasse 38/39 erinnert noch ein Relief an das Brunnenhäuschen.

Zur Zeit der Industrialisierung fehlte es in den Arbeitervierteln an Wohnraum. So auch im Wedding, wo Arbeiter häufig ein Bett in der Speisekammer von Familien mieteten, welches sie sich oft noch im Schichtwechsel mit einem Anderen teilten. Es herrschte Massenarmut. Um der Obdachlosigkeit entgegenzuwirken, wurde 1896 in der Wiesenstraße ein Männerasyl und 1907 ein Frauenasyl eingeweiht; die Wiesenburg. Am Brunnenplatz
sollte auf Initiative eines Vereins 1914 das Ledigenheim,
ein Wohnhaus für 500 alleinstehende Arbeiter und Studenten die Wohnsituation verbessern.

Arbeiterproteste

1901-1906 wurde in der Nähe der ehemaligen Quelle das Amtsgericht Wedding gebaut. Der sumpfige Boden erschwerte
die Bauarbeiten.

Die Umsetzung des bereits 1905 entworfenen Barockgartens
wurde nur teilweise verwirklicht. Die ca. 100 aus dem Humboldhain verpflanzten Bäume gingen ein und die Spielplätze wurden nicht realisiert.

Politisch motivierte Gewalt war während der gesamten Zeit der Weimarer Republik (1918-33) an der Tagesordnung. Die erste Demokratie nach der Kaiserzeit wurde von gewaltsamen Zusammenstössen bei Wahlkämpfen und Kampagnen geprägt. Es kam zu Abspaltungen innerhalb der Lager, wodurch sich Splitterparteien bildeten, die nicht mehrheitsfähig
waren.

Am 1. Mai 1929 kam es zu einem Gewaltexzess bei einer Demonstration des kommunistischen Flügels der Arbeiterbewegung, die der sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel verboten hatte. „Blut-Zörgiebel“, wie er danach in manchen Flugblättern genannt
wurde, erteilte bereits gegen Mittag des Versammlungstages
Schießbefehl und die Polizei
schoss u.a. mit Dum-Dum Geschossen unkontrolliert in die Menge. Sogar Zuschauer
auf Balkonen wurden zur Zielscheibe. Nahe dem Brunnenplatz wurden 19 Menschen erschossen und 250 verletzt. Mehr unter: www.blutmai.de

Der Blutmai wurde zu einem Medienereignis, das dazu beitrug, die ohnehin tiefe Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse in einen Abgrund zu verwandeln.Der lachende Dritte waren die Nationalsozialisten, die sich zur gleichen Zeit anschickten,
die Macht in Deutschland „legal“, auf dem Weg über Wahlen, zu erobern.

Der Riss innerhalb der Arbeiterbewegung hatte seine tieferen Ursachen in der Spaltung in zwei Lager: Die besserverdienenden Arbeiter und Angestellten, kompromissbereit, mit bürgerlichen Parteien zu koalieren, auf Seiten
der SPD und im anderen Lager die großteils verelendeten Proletarier und Arbeitslosen, die einen radikalen Gesellschaftsumbruch
anvisierten, auf Seiten der KPD.

Viele Kommunisten sahen sich nach dem Blutmai im Sinne Stalins und Thälmanns bestätigt, die Führer der
SPD seien „Klassenverräter“ und „Sozialfaschisten“. Die Klischeebilder Bonzen und Lumpenproletarier setzten sich fest.

Nach dem 2. Weltkrieg

Während der Nazizeit wurde der Reichsadler an der Fassade des Amtsgerichts angebracht: in seinen Klauen ein Kranz mit
Hakenkreuz. Nach dem Krieg hat man lediglich das Hakenkreuz
abmontiert; Siegerkranz und Adler werden scheinbar als unkritisch betrachtet.

Der Park vor dem Gebäude wurde in der Nachkriegszeit zum Nahrungsmittelanbau genutzt.

1987, kurz vor der Wende, entschied man sich für die Neugestaltung des Parks nach historischem Vorbild und weihte ihn zur 750 Jahresfeier Berlins ein.

Aber wenig später wurde die gerade feierlich eingeweihte Idylle durch eine Vandalismus-Aktion gestört: Waschpulver im Wasser und Sprühparolen auf dem Brunnenbecken und den umstehenden Bänken zeugte vom Unmut anderer Teile der Bevölkerung.

Heute

Auch die Justitia an der Fassade des Gerichtsgebäudes wurde 1988 zerstört und 2006 durch eine Rekonstruktion ersetzt.

Heute ist die Bevölkerung in der Gegend Wedding /
Gesundbrunnen sehr multikulturell und nach wie vor meist nicht wohlhabend. Die Kriminalitätsrate, sowie
Obdachlosigkeit ist hoch.

Viele Künstler haben bezahlbaren Raum für ihre
Werkstätten und Ateliers in den alten Industriebauten
gefunden. In den wenigen verbliebenen Hallen der
Arnheimschen Tresorfabrik sind heute subventionierte
Werkstätten für zeitgenössische Künstler untergebracht.

Die Quelle ist bis heute nicht wiedergekommen und der
Brunnenplatz ist ein Ort, der viele wechselnde Verhältnisse
gesehen hat; an einer stark befahrenen Straße nur bedingt zur Erholung beiträgt und im Gebüsch den Müll aufnimmt, den keiner haben will.